BEAM ME UP, SCOTTY! / Das "Beam"-Experiment von Innsbruck

Anm.: Der folgende Text stammt aus dem Spiegel (Ausgabe 1/98). Hunderte Male wurde "Enterprise"-Captain Kirk durchs All "gebeamt". Physiker fanden jetzt heraus: Im Kleinen funktioniert das wirklich. Drohend richteten die reptilienhaften Au�erirdischen ihre Strahlen- waffen auf den Erdling. "Scotty, hol mich rauf!" funkte Captain James T. Kirk um Hilfe. Einen Atemzug sp�ter wurde sein K�rper auch schon durchsichtig, kurz glitzerten noch seine Molek�le - dann "beamte" er zur�ck an Bord des Raumschiffs Enterprise. Die Aliens tobten vor Wut; wie ein Geist war ihnen der Fremde entwischt. Hunderte Male wurde Captain Kirk vom Transporterstrahl der Enter- prise erfasst und so aus brenzligen Situationen gerettet. Doch wie das ungemein praktische Fortbewegungsmittel funktioniert, wurde in der Science-fiction-Kultserie nie richtig erkl�rt. Nur aus Geldnot war Produzent Gene Roddenberry vor �ber 30 Jahren �berhaupt auf die Idee gekommen, die Enterprise-Besatzung quer durchs Weltall zu bea- men: Aufgrund des knappen Budgets f�r die Fernsehfolgen war es nicht m�glich, die Landung des Raumschiffs auf einen fremden Planeten effektvoll in Szene zu setzen. Doch nun stellt sich heraus: Wenigstens im Prinzip k�nnten Kirk und seine Crew tats�chlich koboldhaft riesige Distanzen �berwinden. Phy- sikern der Universit�t Innsbruck ist es gelungen, in einer Art Sen- der ein Lichtteilchen auszul�schen, um es im selben Augenblick im wenige Meter entfernten Empf�nger wiederauferstehen zu lassen. Fast wirkt das Beamen im Laborversuch sogar noch hexenhafter als das, was sich auf der Enterprise abspielt: Von dem Sendeger�t werden weder Materie noch Energie auf den Empf�nger �bertragen. Zwischen den beiden Stationen werden auch keine Baupl�ne ausgetauscht, mit deren Hilfe sich das vernichtete Partikel neu zusammensetzen lie�e. "Stellen Sie sich einfach zwei Faxger�te vor, die weder �ber Tele- fonleitung noch durch Funkwellen miteinander verbunden sind", er- kl�rt Teamleiter Anton Zeilinger. "Dennoch lassen sich Texte ohne Zeitverzug von A nach B �bertagen - allerdings wird die Original- schrift beim Einschieben in die Faxmaschine vollst�ndig ausradiert." Und es kommt noch verr�ckter: Die Distanz zwischen Sender und Emp- f�nger spielt dabei keine Rolle. Der mysteri�se Teilchen-Transport gel�nge selbst dann, wenn sich der Sender auf der Erde und Empf�ng- er am anderen Ende der Milchstra�e bef�nde. "Ein faszinierender Vor- gang", sagt Zeilinger. "Was dabei im Detail abl�uft, verstehen wir allerdings selber nicht so genau." F�r ihre Versuche nutzten die Innsbrucker Forscher einen h�chst son- derbaren Effekt aus, wie er nur im Mikrokosmos in Erscheinung tritt. Wenn zwei Elementarteilchen nach Art von Billardkugeln zusammen- sto�en und danach in unterschiedliche Richtungen davonfliegen, kann es passieren, dass sie dauerhaft in r�tselhafter Weise miteinander in Verbindung bleiben. Was auch immer fortan mit dem einen Teilchen geschieht - es scheint mittels einer Form von Telepathie das andere direkt zu beeinflussen. Nach ihrer Teilchenhochzeit verhalten sich die Partikel gleichsam wie zwei in einer bestimmten Weise gezinkten W�rfel: F�llt der eine auf die 6, so zeigt automatisch auch der andere diese Punktzahl an; die Art der Kopplung ist beliebig. Sie funktioniert selbst dann, wenn die beiden W�rfel Millionen Lichtjahre voneinander entfernt sind. Dem Genie Albert Einstein war das alles unheimlich; er glaubte nicht, dass eine solch "spukhafte Fernwirkung" m�glich sei. Doch An- fang der achtziger Jahre haben franz�sische Teilchen-Forscher nach- gewiesen, dass zwischen manchen Partikeln tats�chlich solche un- sichtbaren Dr�hte gespannt sind. Bei ihren Beam-Versuchen, �ber die sie jetzt im Wissenschaftsmagazin "Nature" berichteten, gingen die Innsbrucker Physiker noch einen Schritt weiter: Sie brachten paarweise verkettete Lichtteilchen (Photonen) dazu, andere Partikel quer durch den Raum zu bef�rdern. "Es w�re sicher spannend, was Einstein dazu gesagt h�tte", meint Zeilinger. Jeweils eines von zwei miteinander verkuppelten Photonen dient dabei als Empf�nger, das andere leitet den Transportvorgang ein. Und das geht so: Das Sendephoton tastet den Schwingungszustand jenes dritten Lichtteilchens ab, das als "Passagier" bef�rdert werden soll. Sofort werden diese Eigenschaften auf das ein paar Schritte entfernte Emp- f�ngerphoton �bertragen. Wie von Zauberhand ber�hrt, schwingt es pl�tzlich in genau der glei- chen Weise wie das Passagier-Photon - was nichts anderes bedeutet, als dass von diesem, Simsalabim, eine exakte Kopie entstanden ist. Sende- und Passagier-Photon vergehen derweil in einem grellen Licht- blitz. Bislang gl�ckte den Innsbrucker Forschern die trickreiche "Quanten- teleportation" von einzelnen Photonen h�chstens hundertmal in der Stunde. "Doch die Ausbeute ist noch betr�chtlich steigerbar", glaubt Zeilinger. "Und irgendwann werden wir vielleicht sogar ganze Atome teleportieren k�nnen." Wenn dies gel�nge, so hofft der Physiker, lie�en sich sp�ter einmal superschnelle Quantencomputer bauen. Nur eines wird auch in einer noch so fernen Zukunft kaum m�glich sein: einen Menschen von einem Ort zum anderen zu beamen. "Das ist v�llig aussichtslos", konstatiert Zeilinger, "dar�ber brauchen wir gar nicht erst nachzudenken." Ein Apparat, der alle zehn Billionen Billiarden Atome eines Menschen samt ihrer Lage erfassen k�nnte, wird wohl niemals erfunden. Um die- se gigantische Datenmenge aufzuzeichnen, brauchten etwa die schnell- sten heutigen Computer rund 20 000mal so lange wie das Universum alt ist - da bliebe den zornigen Extraterrestriern gen�gend Zeit, Capt. Kirk zu r�sten. [08/03/1998_16:52_Lars Philipsen]